Kleine und mittelständische Unternehmen sind in den letzten Jahren mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Start-ups drängen auf den Markt und das längst nicht mehr nur im Technologiesektor. Gegenüber einem klassischen KMU haben Start-ups enorme Wachstumsraten und eine agile Struktur. Diese erlaubt es ihnen, Produkte schnell auf den Markt zu bringen und den klassischen Mitbewerbern immer mehr Marktanteile abzunehmen.
Die Stärke der Start-ups sind digitale Strukturen und Geschäftsmodelle. KMUs können diese Entwicklung nicht ignorieren, wenn Sie am Markt bestehen wollen. Auch für sie ergibt sich die Notwendigkeit, selbst digitale Geschäftsmodelle einzuführen und in die Unternehmensstruktur zu integrieren.
Trotzdem fällt das Projekt “Digitalisierung im Mittelstand” vielen Unternehmen schwer. In diesem Artikel zeigen wir daher, was den Ansatz der Start-ups so erfolgversprechend macht und wie kleine und mittelständische Unternehmen selbst den Sprung in die Digitalisierung gelingen kann.
Wie die digitale Transformation klassische Unternehmen herausfordert
Digitale Transformation ist das Schlagwort der letzten Jahre. Nicht immer ist klar, was gemeint ist, wenn Menschen von digitaler Transformation sprechen. Ist bereits der Wechsel von Brief auf E-Mail für den jährlichen Weihnachtsgruß an die Kunden eine digitale Transformation?
Digitale Transformation findet dort statt, wo bestehende Strukturen digitalisiert oder neue digitale Strukturen geschaffen werden. Dazu gehört auch der Wechsel von Brief auf E-Mail, er ist aber viel umfassender zu verstehen:
- Digitale, automatisierte Vertriebs- und Marketingstrukturen
- Neue Arten der Kundenbindung, Unterstützung und Service
- Neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle
Die technische Innovation ist aber nur eine der Herausforderung für kleine und mittelständische Unternehmen.
Die zweite Herausforderung sind die Marktteilnehmer, denen die Digitalisierung bereits in die DNA eingeschrieben ist: Start-ups. Sie setzen von beginn an auf digitale Geschäftsmodelle und sind auch in Ihrer Struktur digital und agil aufgestellt. Aus diesem Momentum speist sich das schnelle Wachstum der Start-ups
Gleichzeitig herrscht in Start-ups eine grundsätzlich andere Fehlerkultur. In klassischen Unternehmensstrukturen ist der Anspruch nach Innen oft von einer Nulltoleranz-Politik gegenüber Fehlern geprägt. Fehler lassen sich aber nur schwer verbieten. Im Kontext der digitalen Transformation erweist sich eine solche Unternehmenskultur zudem als Innovationsbremse. Neues ausprobieren, bedeutet Fehler zu machen. Start-ups haben das erkannt und einen produktiven Umgang damit gefunden.
Zudem braucht digitaler Wandel auch qualifiziertes Personal, das in der Lage ist, den Wandel zu gestalten. Für KMU ist es aber oft schwer, die Top-Talente aus der IT für sich zu gewinnen, weil große Konzerne bessere Konditionen bieten und junge Start-ups eine Unternehmenskultur, die eher den Bedürfnissen der IT-Talente entspricht.
Zusammengefasst ergeben sich vier Herausforderungen für traditionell aufgestellte Unternehmen mit einem analogen Geschäftsmodell:
- Die digitale Transformation stellt Tools, Umgebungen und Möglichkeiten zur Verfügung, bestehende Geschäftsprozesse zu verbessern und neue Geschäftsideen umzusetzen
- Die Start-ups haben das erkannt und perfektioniert. Sie sind in der Lage, schnell neue Produkte zu entwerfen, auf den Markt zu bringen und an den Kunden anzupassen.
- Eine Null-Fehler-Politik hindert kleine und mittelständische Unternehmen daran, Innovationen voranzubringen
- Für kleine und mittelständische Unternehmen ist es schwer, qualifiziertes IT-Personal an sich zu binden, weil sie weder so gut zahlen können wie große Konzerne noch die gleichen Strukturen bieten wie junge Start-ups
Diese Herausforderungen können aber auch eine Chance sein: Unternehmen, die den Sprung in das digitale Zeitalter schaffen, setzen sich von den Mitbewerbern ab und stärken langfristig ihre Positionierung auf dem Markt.
Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand
Digitale Geschäftsmodelle sind Modelle, deren Wert sich zum Teil oder vollständig aus dem Einsatz digitaler Technologien speist. Beispiele für solche Geschäftsmodelle sind Ebay, Hubspot oder Netflix. Aber nicht nur vollständige digitale Unternehmen profitieren von der digitalen Transformation. Auch traditionelle Unternehmen können digitale Technologien für sich nutzen und so sich von den Mitbewerbern absetzen.
Beispiele für digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand:
- Ein Möbelhersteller entwickelt einen Konfigurator, mit dem Kunden ein individuelles Möbelstück konfigurieren und bestellen können.
- Ein Anwalt bietet eine Onlineberatung für Mandanten an.
- Ein Umzugsunternehmen entwickelt eine App für die Umzugsguterfassung, sodass der Kunde den Umzug online buchen kann.
Die Digitalisierung zur Optimierung bestehender Geschäftsprozesse nutzen
Die Technologie hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt und das nicht nur im Anwenderbereich. Für Unternehmen steht heute eine große Anzahl an Tools zur Verfügung, mit der sich eine Geschäftsinfrastruktur weitestgehend digitalisieren lässt. Angefangen bei Cloud-ERP über digitales Vertriebssystem bis zur komplett digitalen Firma.
Auch im Management sind Frameworks verfügbar, mit denen sich agile Strukturen implementieren lassen, Projektmanagementmethoden wie Scrum sind nicht nur in der Softwareentwicklung fruchtbar, sondern überall dort, wo ein Produkt entwickelt wird.
Die Digitalisierung bedeutet auf einer strukturellen Ebene wichtige Effizienzgewinne, die auch kleine und mittelständische Unternehmen mitnehmen müssen, wenn Sie ihre Marktposition verteidigen wollen.
Beispiele für die Digitalisierung der Prozesse im Unternehmen:
- Ein Forschungsinstitut setzt bei der Entwicklung eines Buches auf Scrum. Das Buch wird wie ein Feature behandelt
- Ein Anlagenhersteller musste bisher regelmäßig Außendienstmitarbeiter zum Kunden schicken, um Routineaufgaben zu erledigen. Mit der Implementierung einer digitalen Überwachung, die direkt angebunden ist, kann er diese Zahl um die Hälfte verringern.
- Der Vertrieb in einem Baummaschinenverleih verlief bisher überwiegend telefonisch. Nach der Implementierung einer Landingpage und eines E-Mail-Marketing-Systems kann das Unternehmen bestehende Strukturen verschlanken und die Vertriebskanäle ausbauen.
MVP Entwicklung: Scheitern als Erfolgsprinzip
Das klingt vielleicht eigenartig, aber einer der wesentlichen Stärken von Start-ups ist das Scheitern. Genauer gesagt, das methodische, strukturierte Scheitern.
Beim Fail-Fast-Prinzip geht es darum, schnell Fehler machen und daraus lernen, anstatt ewig im Verborgenen ein Produkt am Markt vorbei zu entwickeln.
Die Stärken von Start-ups bestehen nicht nur in besserer Technologie und einem von vornherein digitalen Geschäftsmodell. Sie basieren auf einer grundsätzlich anderen Philosophie, die unter dem Schlagwort Lean-Start-Up-Methode bekannt ist. Ein zentraler Baustein ist der MVP: das Minimum Viable Product.
Der Grundgedanke des MVP: Es gibt kein perfektes Produkt, weil sich Markt, Kundenanforderungen und Technik ständig ändern. Daher sollte man möglichst schnell ein Produkt auf den Markt bringen, das dann getestet und weiterentwickelt wird.
Kurzfristig scheitern, langfristig erfolgreich sein
Die erste Version eines MVPs enthält nur die allerwichtigsten Funktionen. Das sind die Funktionen, ohne die ein Kunde keinen Grund mehr hat, das Produkt zu kaufen. Warum sollten zukünftige Kunden für das Produkt Geld ausgeben? Was sind die Must-haves des Produkts? Ein MVP besteht nur aus solchen Must-Haves.
Wenn dieses Produkt entwickelt ist, wird das Kundenfeedback systematisch ausgewertet und in die nächste Iteration des Produkts aufgenommen.
Mit einem MVP ist ein Unternehmen in der Lage, in kurzer Zeit an den Markt zu gehen, Aufmerksamkeit und Feedback von Kunden zu generieren und dieses Feedback in weitere Iterationen einzuarbeiten. Wenn keine Nachfrage besteht, wird dies ebenfalls sichtbar. Mit jeder Iteration passt das Produkt besser zu den Anforderungen der Kunden. Dieser Iterationsprozess kennt dabei kein Ende. So sinkt insgesamt das Risiko für ein totales Scheitern.
Mehr Informationen wie man einen MVP entwickelt finden Sie in unserem Artikel: Herausforderungen bei der Entwicklung eines MVPs und wie man sie meistert
Mit der MVP Entwicklung Investitionskosten senken
Dies wirkt sich auch auf die Kosten aus. Jedes Unternehmen hat unabhängig davon, ob sich ein Produkt auf dem Markt befindet, wiederkehrende Kosten für Personal, Mieten und Infrastruktur. Bis das reale Produkt mit den Kunden in Kontakt kommt, vergeht viel Zeit und hohe Investitionskosten sind nötig. Mit einem MVP sinken die Investitionskosten. Anstatt viel Geld für Marktforschung und Prototypen auszugeben, wird schnellstmöglich ein MVP auf den Markt gebracht. Dadurch fallen für einen MVP im Durchschnitt nur ca. 10 % der Entwicklungskosten für ein vollständiges Produkt an.
Auch die Opportunitätskosten sind hoch. Denn ein MVP spielt bereits dann Geld ein, wenn das klassische Produkt noch in der Entwicklung ist. Die Verluste sind so insgesamt kleiner und werden früher wieder eingespielt.
Fazit: Mit einem MVP schnell eigene digitale Geschäftsmodelle entwickeln und testen
Mittel- und langfristig müssen sich alle Unternehmen den Herausforderungen der digitalen Transformation stellen. Wer in 10 Jahren nicht auch digitale Geschäftsmodelle in sein Unternehmen integriert hat, wird es schwer haben mit den agilen, schnell wachsenden Start-ups mitzuhalten.
Dieser Prozess muss nicht kompliziert sein, denn die Digitalisierung erst zu nehmen heißt auch, sich von den klassischen Produktentwicklungszyklen zu verabschieden. Mit der einem MVP haben auch KMU die Möglichkeit, neue Ideen für digitale Geschäftsmodelle schnell umzusetzen und am Markt zu testen.
Vielen KMU fehlen die personellen Ressourcen, um ein MVP inhouse zu entwickeln. Daher ist es häufig sinnvoll, die Entwicklung des MVP an einen Dienstleister auszulagern. Das ist immer noch günstiger als die klassische Produktentwicklung.
Wer die entsprechenden Prozesse früh in Gang setzt, hat die Chance, sich einen wichtigen Vorsprung vor den Mitbewerbern zu sichern.