Vor welchen Herausforderungen steht der Mittelstand bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle?

Die digitale Transformation bringt nicht nur neue Start-ups und Technologien hervor. Sie bringt auch große Herausforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen mit sich. Um nicht von der Konkurrenz geschlagen zu werden, müssen auch Unternehmen in einem traditionell nicht-digitalen Umfeld überlegen, wie sie digitale Ansätze in ihr Geschäftsmodell integrieren. Immer mehr Unternehmen erkennen das. In einer europäischen Studie, die die KfW-Bank 2019 in einer internationalen Kooperation mit anderen Banken durchgeführt hat, gab mindestens ein Drittel der Unternehmen in jedem Land an, dass die digitale Transformation eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre ist. Über 70 % planen für die nächsten zwei Jahre konkrete Produkt- oder Prozessinnovationen.

SMEs looking for digitalization

Quelle: European SME Survey 2019: Going Digital – The Challenges Facing Europian SMEs.

Die Gestaltung der digitalen Transformation in kleinen und mittelständischen Unternehmen setzt nicht nur Kapital für die nötigen Investitionen voraus, sondern auch Personal, eine veränderte Unternehmens- und Führungskultur.

Wir erklären, welches die vier größten Herausforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen sind, wenn Sie digitale Geschäftsmodelle in Ihr Unternehmen integrieren möchten.

Herausforderung Nr. 1: Leadership und Fehlerkultur

Transformationsprozesse werden heute noch immer von Oben angestoßen und somit liegt die erste Herausforderung in der Führungsetage eines Unternehmens. Die richtigen Führungskräfte sind entscheidend für den Erfolg digitaler Transformationsprozesse. Wenn die Führungskräfte diesen Prozessen selbst skeptisch gegenüber stehen und an klassischen Hierarchien festhalten wollen, erweist sich die Führung als Innovationsbremse.

Umgekehrt können gute Führungskräfte die Transformationsprozesse nicht nur begleiten, sondern in großem Maß zu ihrem Erfolg beitragen.

Das fängt bei der Fehlerkultur im Unternehmen an. Im Mittelstand herrscht überwiegend immer noch eine Null-Fehler-Politik. Das heißt: Fehler sollten möglichst von vornherein vermieden werden und wer Fehler macht, muss Sanktionen befürchten.

Es ist nicht schwer zu sehen, warum so eine Firmenpolitik eine massive Innovationsbremse ist. Mitarbeiter werden so nicht motiviert “out of the box” zu denken und unternehmerisches Risiko einzugehen, sondern im Gegenteil: Sie sind angehalten, alles genau so zu tun, wie es schon immer gemacht wurde. Innovation stirbt an diesem Punkt.

Diese Fehlerpolitik haben viele Start-ups den eingesessenen mittelständischen Unternehmen voraus. In Start-ups weiß man, dass Fehler zu jedem Prozess dazu gehören. Fehler lassen sich weder verbieten noch durch Druck oder ähnliche Maßnahmen vermeiden.

Wie kann man dann mit Fehlern umgehen?

Start-ups haben gelernt, Fehler wertzuschätzen. Denn Fehler zeigen, was funktioniert und was nicht. Systematisches Fehlermachen produziert wichtige Erkenntnisse, die ein Produkt verbessern. Dieses Fail-Fast-Prinzip ist in allen Bereichen eines Unternehmens relevant.

Im ersten Schritt sollten Unternehmen, die die digitale Transformation im eigenen Haus voranbringen wollen, daher Führungskräfte akquirieren, ausbilden und/oder motivieren, die selbst Begeisterung für digitale Themen mitbringen und entsprechendes Know-how besitzen.

Herausforderung Nr. 2: Mangelnde Innovationsfähigkeit

Selbst wenn es im Unternehmen den Willen zum Wandel gibt, scheitern digitale Transformationsprozesse häufig an der mangelnden Innovationsfähigkeit.

Was bedeutet das? Den Mitarbeitern fehlen die nötigen Fähigkeiten, um Transformationsprozesse mitzutragen und aktiv zu gestalten. Gleichzeitig ist es insbesondere für KMU schwer, qualifiziertes Personal an sich zu binden, weil diese nicht dieselben attraktiven Konditionen bieten wie große DAX-Konzerne und Techunternehmen.

Im Ergebnis fehlt dann das nötige Personal, zum Beispiel für die Betreuung der digitalen Infrastruktur. In der KfW-Studie von 2019 gaben über 80 % der Unternehmen an, im Rahmen von Digitalisierungsvorhaben mit Hemmnissen konfrontiert zu sein. Dazu gehören, neben Probleme mit schlecht ausgebildetem oder nicht verfügbarem Personal, Probleme mit Datenschutz, mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten und eine schlechte Internetverbindung.

Gegen diese Herausforderung gibt es keine kurzfristige Lösung. Unternehmen müssen langfristig eine Kultur der Innovation schaffen, die Mitarbeiter ermutigt, Transformationsprozesse anzustoßen und umzusetzen. Gleichzeitig muss das bestehende Personal ausgebildet werden.

Heute haben viele Mitarbeiter grundsätzliche Vorbehalte gegen digitale Transformationsprozesse, zum Beispiel weil sie Rationalisierungen befürchten oder es sich in bestehenden Strukturen bequem gemacht haben. Eine Kultur der Innovation und Weiterbildung hingegen, macht das Unternehmen wiederum für qualifiziertes Personal attraktiver. Für die Generation der Millennials z.B. sind es heute schließlich nicht mehr in erster Linie das Gehalt und der Dienstwagen entscheidende Kriterien für einen Arbeitgeber, sondern auch Identifikation mit Zielen und Werten des Unternehmens.

SMEs intentions to introduce innovations

Quelle: European SME Survey 2019: Going Digital – The Challenges Facing Europian SMEs.

Herausforderung Nr. 3: Träge Strukturen und steile Hierarchien

Alte unternehmerische Strukturen kommen an ihre Grenzen. Langjährig gewachsene Prozesse machen häufig jede Entscheidung zu einer mühsamen bürokratischen Aufgabe, die mit einem enormen Zeitaufwand verbunden ist. In einem immer schneller werdenden Umfeld werden diese trägen Strukturen zu einem großen Innovationshemmnis. Heute kann sich oft das Unternehmen am Markt behaupten, das am schnellsten eine Idee aufgreift und zu einem Produkt macht, das die Bedürfnisse der Zielgruppe befriedigt.

Klassische Produktentwicklungszyklen können diese Schnelligkeit nicht darstellen. Sie sehen zunächst eine lange Forschungsphase vor, nach der dann ein Prototyp gebaut wird. Dieser Prototyp wird dann getestet, bis er in die Serienproduktion geht.

Im Lean-Management nutzt man stattdessen das Konzept des MVP. MVP steht für Minimum Viable Product. Bei der MVP Entwicklung geht es darum, möglichst schnell ein Produkt auf den Markt zu bringen, das die notwendigen Eigenschaften hat, und dann zu analysieren, wie sich das Produkt am Markt bewährt: Wie ist das Feedback der Kunden? Welche Probleme gibt es?

Dieses Feedback kann dann in die nächste Iteration des Produkts aufgenommen werden. So erhalten Unternehmen schnell ein Feedback zu Ihrem Produkt und laufen nicht in Gefahr, viel Geld für die Forschung und Entwicklung eines Produkts ausgegeben zu haben, das völlig an den Bedürfnissen der Kunden oder der Realität des Markts vorbeigeht.

Eine solche Vorgehensweise funktioniert aber nur dann, wenn die Prozesse im Unternehmen so gestaltet sind, dass sie mit diesem Tempo mithalten können. In traditionellen Unternehmenshierarchien gibt es immer ein Nadelöhr, durch das alle Entscheidungen hindurch müssen. Werden diese Hierarchien abgeflacht, indem die Entscheidungsfindung dezentralisiert wird, verschwindet dieses Nadelöhr und Entscheidungen können insgesamt wesentlich schneller getroffen und umgesetzt werden.

Das heißt nicht, dass es nur eine richtige Organisationsstruktur gibt, die in der Lage ist, mit den Anforderungen der digitalen Transformation mitzuhalten. Welches Modell für ein Unternehmen geeignet ist, hängt auch von dem Stand der Transformationsprozesse im Unternehmen ab.

Stellt ein Unternehmen neues Personal an, um digitale Aufgaben im Unternehmen anzugehen, ist es gerade zu Beginn sinnvoll, eine zentrale Abteilung für Digitales zu schaffen, um schnell Know-how zu akkumulieren und eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. Dies funktioniert nur in einer Struktur, in der die einzelnen Abteilungen und Teams eng miteinander zusammenarbeiten und kommunizieren. Eine zentrale Abteilung hilft dabei, diese Zusammenarbeit zu gestalten, bis Sie in die Organisationsstruktur eingeht.

Herausforderung Nr. 4: Die Auswahl der geeigneten Technologie

Auch die Technologie selbst stellt KMU vor Herausforderungen. Die meisten Unternehmen sind zumindest in bestimmten Bereichen heute bereits digital aufgestellt. Am häufigsten gilt das für Bereiche wie die Rechnungsstellung, die bereits früh digitalisiert wurde. Auch Tools zur Kommunikation innerhalb des Unternehmens gehören heute bei 60 % der KMU zum Standard. Die großen Buzzwords der letzten Jahre, “Big Data” und “Künstliche Intelligenz” spielen allerdings erst bei 32 %, beziehungsweise 20 % der Unternehmen eine Rolle.

Das zeigt: In vielen Bereichen steckt die digitale Transformation immer noch in den Kinderschuhen. Gerade die neueren Technologien überfordern Unternehmen. Sie stehen einem schwer überschaubaren Markt an technischen Lösungen gegenüber, deren Vorteile und Konsequenzen nur schwer abzuschätzen sind, wenn das entsprechende Know-how fehlt. Bevor große Investitionen in Technologien gemacht werden, deren Auswirkungen man nicht versteht, bleiben kleine und mittelständische Unternehmen daher zögerlich. Egal welches Problem Unternehmen angehen wollen: Die angebotenen technischen Lösungen sind nahezu unüberschaubar. Gleichzeitig hat die Wahl der richtigen Technologien und Standards eine große Bedeutung für die zukünftige Arbeit und das Produkt.

Dieses Problem kann nur qualifiziertes lösen, dass den Technologiemarkt kennt und so bestimmen kann, welche Tools, Technologien und Standards für das jeweilige Unternehmen sinnvoll sind.

Digitale Transformation im Mittelstand: Herausforderungen meistern und Chancen nutzen

Die digitale Transformation wird alle Unternehmen noch eine Zeit begleiten. Je früher kleine und mittelständische Unternehmen die Herausforderungen angehen, desto eher können sie die sich daraus ergebenden Effekte nutzen, um sich gegenüber der Konkurrenz besser zu positionieren. Dieser Wandel muss in der Führungskultur beginnen. Wenn Führungskräfte ein positives Umfeld schaffen, steigt auch die Attraktivität des Unternehmens für dringend benötigte Fachkräfte, die die Transformationsprozesse umsetzen. Ein solches Umfeld belohnt nicht nur neue Ideen und Innovationswillen, sondern sorgt auch für eine Struktur, in der neue Ideen schnell umgesetzt und ausprobiert werden können. Dieser Weg ist schwer und mit verschiedenen Hindernissen gepflastert. Aber Unternehmen müssen diesen Weg nicht alleine gehen. Ein qualifizierte externe Berater können gerade in der Anfangsphase helfen, das Projekt auf eine solide Basis zu stellen und so dazu beitragen, dass die digitale Transformation im Unternehmen zu einer Erfolgsgeschichte wird.

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